Weil wir schwäbische Stuben genauso gerne mögen, wie schwäbische Küche und schwäbische Zutaten, besteht beständig die Gefahr, dass wir schwabenspießig werden. Jürgen Waizzenegger aus dem Mohren in Deggenhausertal im Bodensee-Hinterland, bietet uns all das, was wir schwäbisch mögen – ohne uns dabei spießig zu fühlen. Und das allein ist schon eine ziemliche Leistung.
Die Gaststube, oder im Sommer die Terrasse, in diesem urschwäbischen Haus: Holz, Schwabengemütlichkeit und doch kein bisschen bieder.
Die Küche: Zwiebelrostbraten, Maultaschen, Siedefleisch, Schupfnudeln und doch kein bisschen altbacken.
Die Zutaten: in der Regel aus dem eigenen Stall oder vom eigenen Feld, mindestens aber aus der Nachbarschaft und dennoch völlig weltoffen.
Und so sitzen wir in der Gaststube, nehmen ein Glas von Manfred Aufrichts wunderbar leicht-frischem Speisemeister-Cuvée vom Bodenseeufer und sind so richtig schwäbisch-wohlig.
Und auch fasziniert: Denn die Heimatküche und die Bio-Küche haben in der Regel ein Problem, sie wirken gegen die Konkurrenz aus der modernen Nova-Regio oder Super-Crossover- oder Hyper-Technologie-Küche immer etwas altmodisch. Oft schwer einzuordnen. Auch, weil viele klassische Gasthäuser die kulinarischen Ambitionen irgendwo in den vergangenen Jahren aufgegeben haben. Im Mohren machen sie das alles anders und zeigen so einen Weg, wie Bio-Küche ihre Qualität nicht aus dem „Bio“ sondern aus dem „Küche“ zieht und wie man ganz klassische schwäbische Hausmannskost auf ein gastronomisches Spitzenniveau heben kann.
Vom Feld auf den Tisch
Los geht es mit einem ziemlich knackigen Salatteller. Das ist keine kulinarische Innovation und doch wegen der Qualität und Vielfalt des Gemüses, des tollen Dressings und der optischen Aufmachung eine Wonne. Wir lassen die Flädlesuppe und eine kleine Portion der Maultaschen kommen. Die werden, was man sehr gut machen kann, begleitet von etwas Grillgemüse. Das bekommt ihnen und uns. Auch, weil bei den Taschen die Balance aus Nudelteig und Fleischfüllung nicht zu sehr in die eine und nicht zu sehr in die andere Richtung kippt. Wir entscheiden uns gegen den Zwiebelrostbraten und für das Siedefleisch.
Das ist nach langem Schmoren zum einen so voller Geschmack, dass wir den Schwaben-Klassiker Rostbraten auch künftig meiden. Und zum anderen auch sehr vernünftig und wird vom Koch mit einem günstigen Preis belohnt. Denn: Waizzenegger gewinnt sein Rindfleisch aus einer Herde Angus-Rindern, die er selber hält. Schlachtet er diese, muss das ganze Rind auf den Teller. Nicht nur das Steak für den Rostbraten. So bekommt der Schmorbraten seinen Auftritt – und das Farm-to-Table-Prinzip gelingt erst. Das ist einerseits sehr angesagt, wird aber selten so konsequent umgesetzt wie im Mohren. Waizzenegger verarbeitet das Fleisch aus eigener Zucht komplett und bringt auch das Gemüse vom eigenen Feld recht komplett auf die Teller.
Als reine Unvernunftsbestellung lassen wir noch ein Stück Cordon-Bleu folgen. Der Schweizer Schnitzelklassiker, gefüllt mit Schinken und Käse. Klingt derb. Lässt sich aber eben auch so fein füllen und in der Pfanne statt der Fritteusse so schwenken, dass wir danach nicht pappsatt sondern glücklich sind.
Wer den Weg hier heraus schonmal geschafft hat, kann auch gleich übernachten. Die Zimmer sind toll, das Spa auch…und das Frühstück erst. Einziger Punkt, an den man sich gewöhnen wollen muss: In Hochzeiten, vor allem im Sommer, vergibt der Mohren die Abendplätze zwei Mal. Hat zur Folge, dass die erste Schicht recht flott mit dem Essen durch sein muss – und es entsprechend trubelig ist.