Eine Bio-Metzgerin erzählt: Warum wir den Tier-Tod sichtbar machen müssen

Desirée Grießhaber-Vetter betreibt einen Bio-Metzger. Hier erzählt sie, warum wir uns alle realistischer mit dem Tod von Tieren auseinandersetzen sollten.
Desirée Grießhaber-Vetter

Eine Bio-Metzgerin erzählt: Warum wir den Tier-Tod sichtbar machen müssen

Desirée Grießhaber-Vetter betreibt einen Bio-Metzger. Hier erzählt sie, warum wir uns alle realistischer mit dem Tod von Tieren auseinandersetzen sollten.

Von Desirée Grießhaber-Vetter


In der Metzgermeisterschule habe ich mich als Bio-Metzger schon ungeliebt gemacht. Wir haben dort gelernt, dass sich Wurst nur aus Fleisch und Bindemittel herstellen lässt. Ich habe dann in den Raum gerufen, dass das nicht stimmt. Dass es auch ohne Zusatz von Bindemitteln funktioniert. Zur Antwort habe ich bekommen: Dann geht das aber nur mit Warmfleischverarbeitung und das kann man doch heute gar nicht mehr machen. Das stimmt natürlich nicht. Mein Vater ist Bio-Metzger hat damit schon früh wieder angefangen, heute sind wir alle überzeugt davon.

Das ist ja auch die traditionelle Art, Fleisch zu verarbeiten. Dass sie heute die absolute Ausnahme ist, liegt an der industriellen Fleischproduktion. In den Abläufen dort ist es unmöglich, innerhalb von zwei Stunden aus dem Tier eine Wurst zu erzeugen und dabei auch noch sauber zu arbeiten. Das geht maschinell am Fließband nicht. Weil aber die überwältigende Mehrheit von Fleisch und Wurst in Deutschland industriell produziert wird, hat man sich irgendwann damit abgefunden, dass heute als unmöglich gilt, was früher normal war.

„Die Tötung findet im Verborgenen statt, deswegen setzt sich kaum jemand mit den Zuständen in der Schlachtindustrie auseinander.“

Das ist an vielen Stellen in der heutigen Fleischverarbeitung so. Und das liegt vor allem daran, dass es der Industrie gelungen ist, den Zusammenhang von lebendem Tier und Fleisch aus dem öffentlichen Bewusstsein zu löschen. Die Tötung findet im Verborgenen statt, deswegen setzt sich kaum jemand mit den Zuständen auseinander.

Ich möchte, dass wir das wieder transparenter machen. Es muss jedem Fleisch- und Wurstesser klar sein, woher Fleisch und Wurst stammen. Wir legen deswegen hier viel Wert auf Transparenz. Wir zeichnen freiwillig den Schlachtvorgang komplett auf Video auf und speichern das ab. Zur Transparenz, damit das jeder nachvollziehen kann bei Fragen. Aber auch für uns. Wenn etwas nicht optimal läuft bei der Schlachtung, schauen wir uns hinterher die Aufzeichnung an und versuchen, daraus zu lernen.

Transparenz ist uns generell wichtig. Wir wissen, woher jedes einzelne Tier kommt. Sie alle wurden nicht nur biozertifiziert aufgezogen. Sie werden hier auch vom jeweiligen Landwirt angeliefert. Hier kommen keine großen Viehtransporteure oder Händler auf den Hof. Stattdessen haben wir sehr tolle Landwirte, mit denen wir langfristig zusammenarbeiten. Viele von ihnen begleiten ihre Tiere, gerade bei Rindern, bis zum Schluss. Das ist für sie wichtig, aber auch für die Tiere. Die erleben so weniger Stress in den letzten Stunden.

„Mein Vater erkennt beim Öffnen des Körpers, ob es dem Tier vorher gut ging oder nicht.“

Mein Vater erkennt beim Öffnen des Körpers, ob es dem Tier vorher gut ging oder nicht. Wenn wir den Eindruck haben, von einem Hof kommen dauerhaft problematische Tiere, beenden wir die Zusammenarbeit.

Insgesamt haben wir aber tolle Landwirte. Heute etwa haben wir Schwäbisch-Hällische-Landschweine vom Hofbauernhof in Loßburg, einem Demeter-Betrieb. Das wöchentliche Rind, das wir für den Eigenbedarf verarbeiten kommt aus Talheim, manchmal auch ein Ochse vom Biolandbetrieb der JVA Rottenburg. 

Wir kaufen nichts an tierischen Produkten dazu. Bei den Zutaten arbeiten wir mit Nachbarn zusammen und versuchen, Kreisläufe zu schließen. So nehmen wir für unseren Mittagstisch gerne das Gemüse der B2-Biomärkte, die wiederum unser Fleisch verkaufen. 

Man muss so natürlich mehr planen, als wenn man im Großhandel kauft. Dafür macht es so mehr Spaß. Und nur in solchen regionalen Kreisläufen, in denen keine Anonymität möglich ist, haben wir eine Chance, nachhaltig zu arbeiten.

„Wenn niemand mehr etwas verstecken könnte, würden die Bedingungen sowohl für Konsumenten, als auch für die Tiere und Menschen in der Fleischverarbeitung automatisch besser.“

Ich würde mir dennoch wünschen, dass Bio-Metzger mehr unterstützt würden. Zum einen, indem Behörden an uns nicht die gleichen bürokratischen Anforderungen wie an Großbetriebe anlegen; das macht die Arbeit nämlich mühsam und so teuer, dass sich das nur wenige Betriebe leisten können. Zum anderen, indem man insgesamt zu mehr Ehrlichkeit in unserer Branche zwingen würde. Ich ärgere mich etwa über Betriebe, die mit nicht geschützten Begriffen wie „aus eigener Schlachtung“ werben, dann aber gar nicht selbst schlachten, sondern nur bereits tote Tiere selber verarbeiten.

Das zu ändern, würde Betrieben wie unseren helfen. Und könnte insgesamt  die Akzeptanz für Fleisch als Lebensmittel erhöhen. Derzeit ist es so, dass ich auswärts so gut wie überhaupt kein Fleisch mehr esse. Weil in der Regel nicht transparent ist, woher es kommt. Und dann verzichte ich lieber. Wenn aber niemand mehr etwas verstecken könnte, würden die Bedingungen sowohl für die Konsumenten als auch für Tiere und Menschen in der Fleischverarbeitung automatisch besser.


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Desirée Grießhaber-Vetter ist Inhaberin des Bio-Metzger Betriebs Grießhaber in Mössingen. Sie hat Betriebswirtschaft studiert und Metzgerin gelernt.

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