Weinhändler haben es nicht leicht. Das klingt ganz schön abgedroschen, ist aber ernst gemeint. Die Weinregale bei Edeka & Co. bieten mittlerweile Weine von genauso guter Qualität, nur deutlich günstiger. Und wenn es um deutsche Weine geht, entdecken die Kund:innen zwar gerne Neues im Fachhandel, bestellen dann aber auf Dauer einfach direkt bei den Weingütern. Der Marktanteil des Fachhandels nimmt deshalb seit Jahren ab, viele Händler:innen geben auf oder leben am Ende vor allem von der Loyalität ihrer Kund:innen.
Umso erstaunlicher, wenn jemand in genau solchen Bedingungen einen Weinhandel neu gründet. Die Geschichte der Freiheit Vinothek Ulm ist deshalb eine Geschichte von Mut, aber auch vom richtigen Gespür für die richtigen Entscheidungen.
„Ich finde das gar nicht so mutig. Es ist doch genau das gleiche Phänomen wie bei Weingütern: Wenn du austauschbar bist, hast du es schwer. Wenn du etwas einzigartiges anbietest, dann funktioniert es“, sagt Marcel Mühlberger. Und wie es funktioniert: Innerhalb von zehn Monaten hat der 32-Jährige in der Vinothek Freiheit Ulm sieben Mitarbeiter:innen eingestellt, weil er ein so starkes Wachstum hingelegt hat. Viele seiner Kund:innen kommen selbst aus der Wein- oder Gastronomiebranche und melden sich bei ihm, weil sie hier Weine bekommen, die es sonst nirgendwo gibt. Also: Was ist das besondere hier?
90 Prozent Bio-Anteil
Gerade einmal zehn Prozent des Sortiments in der Freiheit Vinothek ist konventionell hergestellt, das meiste ist biodynamisch oder biologisch. Doch es ist nicht der Nachhaltigkeitsaspekt, der so einzigartig (wenn gleich großartig) ist. Es ist die wunderbare Mischung aus Klassikern und Miniweingütern. So gibt es in der Vinothek Freiheit Ulm sowohl die großartigen Spätburgunder von Julian Huber aus Baden (und das sogar in Jahrgangstiefe), also auch Miniweingüter, die zu den angesagten Newcomern zählen. Manche dieser Weingüter bewirtschaften nicht mehr als gerade mal ein Hektar.
Die Weingüter in seinem Sortiment haben nur eine Gemeinsamkeit: Handwerk. Die Winzer:innen in seinem Sortiment sind detailverliebt und vertrauen vielmehr in ihr Schaffen und in die Natur als in Technik beispielsweise.
Warum der Name Freiheit?
Wenn man ihn selbst nach seiner vinophilen Vision fragt, kommt die Antwort binnen einer halben Sekunde: „Freiheit! Sowohl für meine Kunden, als auch für mich“, sagt Mühlberger. „Ich möchte die Freiheit haben, meine Kunden mit gutem Gewissen zu beraten. Ich möchte nur Dinge verkaufen, von denen ich selbst überzeugt bin. Und die Kunden sollen die Freiheit haben, hier ihren eigenen Geschmack bedienen zu können“, sagt der Händler.
Und das gilt auch vor Ort. Denn bei Marcel kann man nicht nur Weine kaufen und mit nach Hause nehmen. Die Freiheit Vinothek ist auch ein Ort des Verweilens. Mit den bodentiefen Fenstern, dem Steinfußboden und der langen Holztafel ist moderner als viele Bars. Rund 20 Plätze gibt es drinnen, draußen kommen nochmal so viele dazu.
Marcel nutzt das Coravin-System: Damit kann man geschlossene Flaschen „anzapfen“, ohne sie zu entkorken, und der Leerraum wird mit einem Schutzgas aufgefüllt. Dadurch kann man Weine über viele Monate hinweg trinken, ohne dass sie verderben. Damit kann Marcel eine spektakuläre galaweise Weinkarte anbieten. Absolute Raritäten kann man somit einfach mal probieren, ohne dafür gleich eine ganze Flasche bestellen zu müssen. Glas für Glas: Kann man schöner die Zeit verbummeln?
Freiheit Vinothek, Hoheschulgasse 3, 89073 Ulm
ÖPNV: vom Hauptbahnhof Ulm ca. 10 Minuten Fußweg