Wer an einem nassen Ast schüttelt, will entweder einen Streich spielen oder hat einen (anderen) guten Grund dafür. Denn wirklich angenehm ist es nicht, wenn an einem solch kalten Herbsttag auch noch Wasser aus dem Streuobst herunterprasselt.
Doch Martin Häfele und Michael Gugelfuß haben sich ihre Kapuzen übergezogen und lassen sich nicht aus der Ruhe bringen. Sie nehmen sich Ast für Ast vor und greifen mit ihren langen Haken in die Baumkronen. Dann schütteln sie kräftig und mit den Regentropfen fallen zahlreiche Äpfel auf den Boden – die Grundlage für ihren Streuobst Cider.
Die beiden stehen an diesem Oktobertag auf einer Streuobstwiese, wie sie typisch für die Schwäbische Alb sind. Die Bäume sind alt und wirken ganz verwachsen mit ihren niedrigen Kronen. Teilweise müssen sie von Pfosten gestützt werden.
Nachdem die beiden alle Äpfel aufgelesen haben, tragen sie die Kisten zu einem Sortiertisch. Hier lesen sie die faulen Früchte heraus und schichten die gesunden in einen großen Behälter. Nach einer Dreiviertelstunde geht’s zum nächsten Baum. Mit dieser geduldigen Handarbeit verfolgen die beiden ein Ziel: Sie wollen den besten Apfel-Most auf der schwäbischen Alb machen.
Wer im Schwabenland aufgewachsen ist, denkt bei diesem Getränk sofort an Omas und Opas. Es sind vor allem ältere Menschen, die die Mischung aus Apfel- und Birnenwein schätzen. Streuobst Baden-Württemberg – das sind zwei Begriffe, die von jeher zusammengehören. Und Most wird oftmals von den Hobby-Gärtnern hergestellt und in alteingesessenen Dorfwirtschaften ausgeschenkt.
Cidre, Äbbler, Most
Der Most hat eine lange süddeutsche Tradition, schließlich gibt es hier unzählige Streuobstwiesen. Die vielen Früchte werden entweder zu Saft verarbeitet, zu Schnaps gebrannt oder eben zu Apfel-Most vergoren. Doch was in der Bretagne als Cidre oder im Frankfurter Raum als „Äbbler“ Kultstatus hat, ist im Schwabenland, nunja, nicht besonders angesagt. Kein Wunder: aromatisch erinnert er oft an das, was man im Schulranzen wiederfindet, wenn man seine Apfelschorle über die Ferien darin vergessen hatte.
Was also hat die beiden Freunde Martin und Michael dazu gebracht, sich auf das altbackene Getränk zu konzentrieren und es zu Streuobst Cider weiter zu entwickeln?
„Eigentlich ist Most großartig. Handwerklich, regional, aromatisch – wenn man sich ihm mal mit Detailverliebtheit widmet“, sagt Martin. Die beiden kommen vom südöstlichen Zipfel der Alb, nahe Ulm, und sind seit dem Kindergarten miteinander befreundet. In ihrer Heimatstadt Dornstadt findet alljährlich das Obstwiesenfestival statt, eines der größten Umstonst-und-Draußen Musikfestivals Deutschlands inmitten der Streuobst-Wiesen.
Michael betreibt eine Druckerei, doch wie viele hier pflegt auch er ein paar Bäume Streuobst und stellte im vorletzten Jahr erstmals einen eigenen Most her. Doch als er ihn auf dem Festival ausschenken wollte, war er enttäuscht. „Das Getränk interessierte die Besucher einfach nicht“, erzählt er. Als er darüber mit seinem Kumpel Martin sprach, diskutieren sie, woran das eigentlich liegt: Warum schmeckt das traditionelle Getränk so wenigen?
Apfelsaft wie Wein bearbeiten
Martin ist Önologe und getränketechnologischer Fachmann. „Wir kamen zu dem Fazit, dass man den Most ganz anders herstellen sollte. Nur bestes Lesegut verwenden, auf der Hefe reifen lassen, komplett auf Qualität fokussiert – dann ergibt sich auch ein komplett anderes Geschmacksbild“, sagt er. Sie hatten eine klare Vorstellung, wie ein Most sein sollte, damit er vielen schmeckt: frisch, fruchtbetont, harmonisch.
Also starteten sie ihr Albapfel-Projekt: Streuobst Cider. Sie pachteten Wiesen rund um Dornstadt. Die Flächen werden nicht mit Pestiziden behandelt und bringen sehr alte Sorten hervor. „So genau wissen wir nicht, welche Äpfel wir eigentlich verarbeiten. Das sind uralte Bäume mit teils niedrigen Erträgen“, sagt Michael. Dafür kennen sie jeden einzelnen Baum.
Und dann kommt noch Hopfen in den Most
Eine Mosterei in der Nähe unterstützte sie bei ihrem Vorhaben. Der Besitzer fand es großartig, dass auf einmal junge Leute das Thema Most aus Streuobst wiederbeleben wollen. Trotz, oder gerade weil, die beiden vieles anders machen als die Generationen davor. Sie nennen ihren Apfel-Most bewusst nicht Most, sondern „Cider“. Doch das Geheimnis von Albapfel liegt nicht am neuen Begriff und auch nicht am zugegeben extrem schicken Design. Sie haben auch beim Verarbeiten der Früchte eine komplett andere Herangehensweise.
So vergären Michael und Martin ihre Äpfel mit eigenen Hefen und lassen den Most einige Monate auf der Hefe reifen. Doch der große Clou ihres Ciders kommt zu Schluss: Sie geben sie Hallertauer Hopfen dazu. Damit beziehen sie sich nicht nur auf die Craft-Szene, sondern stabilisieren die Aromen.
Dieses kaltgehopfte Finish kann man wunder schmecken: Der Cider von Albapfel hat eine feine zitrische Note, die sich zu dem erdigen Charakter gesellt. Im Geschmack zeigt er sich sehr klar strukturiert Ein frisches, fruchtbetontes Getränk voller Harmonie und Gripp, das tatsächlich wenig mit dem Most, den man sonst so kennt, gemein hat.
Albapfel
www.albapfel.de
Wer den Albapfel-Cider probieren möchte, findet ihn momentan in einigen Getränkemärkten im Raum Ulm oder kann ein Kiste unter durst@albapfel.de bestellen