Wo Koch und Landwirt zusammentreffen – Regionaler Genuss auch im Gasthaus

Gasthäuser, die direkt vor Ort beim Landwirt einkaufen, werden wieder mehr. In Baden-Württemberg gibt es besonders viele davon. Was machen sie anders?
Heinrich Baur, Hochstetterhof

Wo Koch und Landwirt zusammentreffen – Regionaler Genuss auch im Gasthaus

Gasthäuser, die direkt vor Ort beim Landwirt einkaufen, werden wieder mehr. In Baden-Württemberg gibt es besonders viele davon. Was machen sie anders?
  • Regionale und nachhaltige Restaurants freuen sich großer Beliebtheit im Ländle.
  • Gastronom:innen und Landwirt:innen aus der Region arbeiten wieder zusammen.
  • Die Slow Food Chef Alliance treibt das Thema seit Jahren.

Als Manfred Schmidt den Hof der Eltern auf der Ostalb übernahm, wusste er: „Ich wollte es anders machen.“ Die Masseproduktion der konventionellen Landwirtschaft war nichts für ihn. „Ich wollte damals zu einer bäuerlichen , tier- und umweltgerechten Landwirtschaft kommen“, erzählt er. Heute, einige Jahrzehnte später, hat er das geschafft. Manfred Schmidt führt einen biodynamischen Geflügelbetrieb, der vieles besser macht als andere. Zum Beispiel, indem er neben den Legehennen auch deren Brüder aufzieht und deren Fleisch vermarktet.

Auch Heinrich Baur wollte vor sechs Jahren vieles anders machen. Bis dahin hatte er einen konventionellen Schweinemastbetrieb. „80 Ferkelbuchten“, sagt Baur, „hatten wir hier.“ Er zeigt auf einen Stall, der jetzt großzügige Laufflächen umfasst. „Ein System, das auf Masse aus war. Und der falsche Weg.“ Sechs Jahre ist das erst her. Da stellte Heinrich Baur zusammen mit Gesi Christ den Hochstetter Hof von einem hoch spezialisierten Schweine-Maststall auf ein nachhaltiges Konzept um. „Ich wollte einfach nicht mehr nur Masse machen“.

Wo Hoferzeugnisse in nachhaltigen Restaurants auf den Tisch kommen

Zwei Landwirte, die nicht nur gemeinsam haben, ihren eigenen Weg gefunden zu haben. Sondern die dabei auch auf starke Partner:innen gesetzt haben, was für viele Landwirt:innen nicht selbstverständlich ist: Köchinnen und Köche. Heinrich Baur etwa nennt seinen Hof heute Hof Artenvielfalt und verkauft viele seiner Spezialitäten an das Restaurant Esszimmer in Mittelbiberach. Manfred Schmidt arbeitet mit Gastronomien, wie der Scheunenwirtin in Bartholomä zusammen, um seine Bruderhähne bekannter zu machen.

Landwirt:innen und Köch:innen bringt seit fünf Jahren die Köchevereinigung Chef Alliance des Vereins Slow Food zusammen. Landwirt:innen erzeugen eine Vielfalt an Produkten, Köch:innen zaubern daraus Gerichte, machen diese bekannt. Gäste lernen dies schätzen und fragen die Produkte verstärkt nach. Das ist eines der Kernanliegen der Chef Alliance. Inzwischen arbeiten bundesweit 64 Gastronomen, Caterer oder freie Köch:innen nach diesen Prinzipien zusammen.  

Vertrauen und verstehen: Dann klappt es mit nachhaltigen Restaurants

„Nicht zuletzt die Lockdowns während der Corona-Pandemie haben vielen von uns verdeutlicht: Restaurants und Lokale sind mehr als „nur“ Orte des Essens und Genießens; sie sind Orte für soziales Miteinander und kulinarische Schaufenster einer Region“, sagt Alliance-Leiterin Luka Lübke, die in Norddeutschland kocht. „Für Slow Food und die Chef Alliance sind es außerdem Orte der Ernährungswende. Hier machen sie ihren Gästen klimafreundliche Ernährung schmackhaft und  bieten ihnen Genuss, aus dem eine ganze Menge Verantwortung wächst.“

„Das große Thema ist Vertrauen“, erzählt Heinrich Baur vom Hof Artenvielfalt seinen Profi-Gästen. Wenn er sich darauf verlassen kann, seine Produkte fair vermarktet zu bekommen, kann er auch liefern.

Nachhaltige Restaurants von Chef Alliance-Köch:innen im Ländle:

Das ist im Fall des Hofs Artenvielfalt mittlerweile eine ganze Menge: Aus Schwäbisch-Hällischen und Sattelschweinen züchtet Baur Weideschweine, die eine echte Delikatesse sind. Er zieht Rinder in Weidehaltung auf und beteiligt sich über die Herdbuchzucht des alpinen Steinschafs an der Erhaltung einer Rasse, der sonst vom Aussterben bedroht ist. Hinzu kommen die Dutzenden Gemüse-Varietäten: Samenfeste Karotten in verschiedenen Farben, Kohlrabi, Kohlsorten, Linsen.

Neulich hat er auf Anregung von Küchenchef Simon Kaiser sogar Artischocken in Oberschwaben geerntet. Das alles verkauft er übrigens auch in Oberschwabens charmantestem und reichhaltigstem Selbstbedienungs-Hofladen. 

„Die Masse nicht mehr machen müssen“

„Es fühlt sich extrem gut an, die Masse nicht mehr machen zu müssen“, sagt Baur sechs Jahre nach der Umstellung. „Es ist nicht so, dass konventionelle Höfe alles falsch machen. Aber für mich entwickelte sich das komisch.“ Heute betreibt er einen schmucken Selbstbedienungshofladen, beliefert Küchen wie die des Esszimmers und andere Kunden – nie aber den Handel.

Alb-Linsen, Alb-Lamm, Artischocken

„Die Köche“, sagt Baur, „sind Multiplikatoren für uns. Uns Bauern hat man ja früher beigebracht Stückkosten zu senken nicht Produkte zu verkaufen.“

Für Simon Kaiser ist jemand wie Baur ein Glücksfall. Mit mehr als einem Dutzend Erzeuger:innen arbeitet Kaiser direkt zusammen. Mal, um das Alb-Lamm der Familie Mackensen zu bekommen, mal für Artischocken von Heinrich Baur, mal für seltenen Vulkanspargel. „Unsere Menüs“, sagt Kaiser, „werden in die Tiefer immer regionaler. Und das möchten wir unseren Gästen zeigen.“

So wird deutlich: Die Verwertung nachhaltiger Zutaten in nachhaltigen Restaurants ist entscheidend, wenn die Ernährungswelt ihren Beitrag zu einem nachhaltig lebenswerten Planeten leisten soll. „Wir müssen jetzt etwas an unserer Lebensweise ändern, wenn auf dem Planeten auch in 150 Jahren noch unsere Enkel leben sollen“, sagt Heinrich Baur. Und findet da in den Köch*innen engagierte Mitstreiter*innen.

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