Maultaschen also. Sensible kleine Dinger sind das. Gerät der Teig zu dick, schmeckt die Angelegenheit mehlig; gerät die Füllung zu fest, kann man auch gleich eine Wurst im Teigmantel bestellen, was man aus guten Gründen ja seit den mittleren 90ern nicht mehr macht. Also haben sie sich erstmal zu zweit in die Küche zurückgezogen, die Stuttgarter Gastronomin Pia Nowotny und eine Kollegin. Haben Brät gerührt, Teig geknetet, Spinat ans Fleisch getan, weniger Spinat ans Fleisch getan, wieder mehr Spinat ans Fleisch getan. Über Muskatnuss diskutiert, wieder Spinat aus der Füllung genommen. Bis irgendwann die Mischung stimmte. Erst dann haben sie ihren Metzger abschmecken lassen. Der ist dann in die Serienfertigung gegangen. Und erst seitdem steht sie im Martha’s, wie Nowotnys Stuttgarter Genuss-Refugium heißt, auf der Karte. Denn schnell, schnell kommt hier nichts auf die Karte, in Deutschlands ungewöhnlichstem Fast Food-Restaurant.
„Liebe“, sagt Pia Nowotny. „Es ist absolute Liebe – zum Produkt wie zum Detail.“ Und damit ist eigentlich alles über ihren sehr kleinen, aber eben auch sehr feinen, Imbiss gesagt. Und auch doch eigentlich viel zu wenig.
Pia Nowotny hat in Stuttgart, Mitten in den wirren Gängen des unwirtlichen Einkaufszentrums Königsbau, ein schnellgastronomisches Refugium geschaffen. Das wegen der Liebe funktioniert, vor allem aber wegen Pia Nowotnys unermüdlicher Arbeit seit fast einem Jahrzehnt und ihrer für fast-food-gastronomische Gefilde einmaligen Selbstverpflichtung zu Qualität, die vermutlich nur eine Quereinsteigerin aufbringen kann. Unermüdliche Arbeit, das besondere Produkt aus der Region als Grundlage für ihre Schnellgerichte zu finden. Unermüdliche Arbeit aber auch, das Besondere daran für ihre Gäste wahrnehmbar zu machen.
Welche Spezialitäten das Martha’s verarbeitet
Als sie im Jahr 2011 beschloss, ihre Laufbahn in einer Bank zu beenden, um fortan Fastfood zu machen, wunderten sich die Menschen gleich zwei Mal über sie. Einmal, weil sie als absolute Novizin in den absolut zentralen Königsbau mit den entsprechend gehobenen Mieten wollte. Einmal, weil sie eine scheinbar unumstößliche Formel des Fast-Food-Geschäfts einfach ignorierte: Billiger Wareneinkauf plus billiges Personal plus maximal effiziente Abläufe gleich Erfolg. Sie setzte dagegen: Aufwendigen Wareneinkauf bei lokalen Produzenten, gute Mitarbeitende und Verarbeitungsstufen, bei denen die hochwertigen Zutaten respektvoll weiterverarbeitet werden.
„Das sind die gleichen Zutaten wie bei Vincent Klink, nur eine andere Küche.“
Pia Nowotny, Gastronomin
Da ist etwa der Burger aus Biobüffelfleisch von der benachbarten Alb. Oder die Wurst vom artgerecht gehaltenen Stauferico-Schwein, die Rindswurst aus Hohenlohe von der Erzeugergemeinschaft Schwäbisch Hall, ein sagenhaftes Pastrami mit Fleisch vom Alb-Metzger Failenschmid, der selbstgemachte Flammkuchen mit regionalem Dinkel und Speck oder eben die selbstgemachten Maultaschen. Dazu formidable Pommes und einige Tagesangebote.
Was das Martha’s mit Sterneküche gemeinsam hat
„Das sind die gleichen Zutaten wie bei Vincent Klink, nur eine andere Küche“, sagt Pia Nowottny mit Blick auf den in Stuttgart ansässigen schwäbischsten aller Sterneköche. „Und die Küche hier ist: Einfach aber gut.“ Dabei ist das Entscheidende für sie der Ursprung des Produkts: „Es gibt eine lange gewachsene Beziehung zu allen Lieferanten.“
So hat sie ganz klein angefangen, zunächst mit der Hälfte des Platzes, und sich dann Stück für Stück Größe erarbeitet. Indem sie auch Caterings mit ihren hochwertigen Produkten anbietet, oder indem sie das Angebot behutsam erweitert. „Ich merke schon, dass hier im Stadtzentrum das Angebot wächst und die Menschen Abwechslung möchten“, sagt Pia Nowotny. Neuerdings gibt es etwa auch zwei Salatteller. „Aber das ist ein Balanceakt: Wir müssen auch schauen, dass es nicht zu breit wird. Wir haben nur begrenzt Personal und wichtig ist, dass wir beim Aufwand der Produktbeschaffung und Zubereitung nicht nachlassen.“
Das ist eben die ewige Frage aller Lebensmittelhandwerker*innen: Bestimmt das Konzept oder der Gast. „Einerseits habe ich eine klare Vorstellung von dem, was wir hier anbieten“, sagt Pia Nowotny. „Ich gehe immer erstmal davon aus, was ich mag. Andererseits hören wir schon auch genau hin, was unsere Kunden wünschen.“
Ideal für Sundowner am Schlossplatz
Was sie im Martha’s schaffen: dass dieses Abwägen und Kuratieren nie anstrengend wird. Foodies sind hier genauso willkommen und kommen auch, wie Geschäftsmenschen auf der Durchreise oder der Tourist mit Lust auf den besonderen Terrassenplatz. Man kann sich mit den Produkten und ihrer Herstellung beschäftigen; man kann aber auch einfach Currywurst Pommes bestellen und bezahlt im Zweifel nicht mehr, als in schlechteren Buden in Innenstadtlage.
Wie entspannt das ist, zeigt vielleicht die Getränkefrage: Das Martha‘s, benannt nach Pia Nowotnys Großmutter, hat das Glück einer Sommerterrasse in Richtung Schlossplatz bespielen zu dürfen. Viele Gäste bleiben einfach dort sitzen, weil es schön ist und sie nicht unbedingt bewusst das besondere Produkt suchen. „Und viele von denen möchten einen Aperol Spritz“, sagt Pia Nowotny. Der passt zwar ganz streng gesehen nicht unbedingt zu ihrem Konzept, andererseits lockt er eben Gäste, die dann vielleicht auch wieder etwas anderes bestellen. Im Martha’s haben sie es nun auf ihre Weise gelöst: Es gibt Aperol Spritz, wer mag, kann aber auch einen Cider aus schwäbischem Streuobst von Jörg Geiger bestellen. „Natürlich ist es viel leichter, den Aperol zu verkaufen“, sagt Pia Nowttony. „Aber nun gibt es immerhin die Wahl.“
Was die Stuttgarter am liebsten essen
So ist das Geschäft ein ständiger Balanceakt zwischen dem Willen zum Besonderen und dem Kompromiss mit dem Notwendigen. Das kommt der Chefin aber entgegen. „Das Projekt hat sich Stück für Stück entwickelt, ich hatte nicht den einen Plan am Anfang, den ich dann einfach abgearbeitet habe“, sagt sie. Nur glaubwürdig muss es am Ende sein. Die Produkte entstehen nach eigenen Rezepten, eben wie die Maultaschen. Ob das nun die Oberländer Bratwurst ist, die nach Martha’s-Rezept gewurstet wird, oder die Currysoße, die es mittlerweile wie auch die Maultauschen zum Mitnehmen gibt.
Und was ist die Chefin selbst am liebsten? „Ich liebe meine Maultaschen heiß und innig und esse eigentlich jeden Tag eine“, sagt sie. „Auch die Currywurst kann ich seit fast zehn Jahren ständig essen, ohne dass sie mir über wird.“ Und das hat sie mit ihren Gästen gemein: Burger hin, Pastrami her – die Currywurst mit Pommes bleibt der Bestseller.
Adresse: Königstraße 28, 70173 Stuttgart
ÖPNV: Stuttgart Hbf (von dort 10min Fußweg die Königstraße entlang), oder U-Bahn-Haltestelle „Schlossplatz“