Oleg ist eigentlich ein sanfter Riese. Aber als er mich an diesem Nachmittag sieht, stellt er sich schützend vor seine Schafe und bellt. Und zwar so lange, bis Thomas von Mackensen ihn aus der Ferne zur Ruhe ruft. Dann trollt er sich wieder mitten unter die Herde an Jungschafen, die hier am Rande von Gomadingen in einem der schönsten Täler der Schwäbischen Alb weidet. Er hat seinen Job gemacht, für den der italienische Schutzhund in der Schäferei angestellt ist: Die Schafe auf den Wacholderwiesen der Schwäbischen Alb vor Wölfen zu schützen, die hier theoretisch auch vorbeiziehen könnten. Ein ziemlich wichtiger Job in der Schäferei. Denn die 600-köpfige Schafherde der Familie von Mackensen ist nicht nur eine echte Rarität – sondern für Alb-Genießer:innen und Alb-Natur gleichermaßen wertvoll.
Die Familie von Mackensen gehört zu den letzten ortsgebundenen Hüteschäfereien, die es im Alb-Gebirge gibt. Johanna, Thomas und Sohn Lucas haben zwar ein festes Stallgebäude mit Infrastruktur, die Schafe aber weiden auf sich ständig verschiebenden Weidegründen. Sie werden nicht durch Zäune an einem Ort gehalten, sondern von ihren Schäfer:innen und einem halben Dutzend altdeutscher Hütehunde. So entsteht einzigartiges Lammfleisch, das die von Mackensens „Kräuterlamm“ nennen, vor allem aber eine einzigartige Natur.
Vom Wert der Wacholderheiden
„Die Alblandschaft“, sagt Johanna von Mackensen, während sie sich mit Gemüse aus dem angrenzenden Demeter-Garten einen Salat schneidet, „hat schon immer, und mehr noch als in anderen Regionen, die Art der Landwirtschaft hier geprägt.“ Die kargen Böden, die felsigen Untergründe, die zu einer steinreichen Landschaft führten, haben Bäuerinnen und Bauern hier oben einiges abverlangt. Das karge Grünland im Hochgebirge hier reicht oft nicht auf, um für eine ganze Familie Vieh zu ernähren. Gleichzeitig ist die Landschaft ständig von Verbuschung bedroht. So entstand irgendwann das Prinzip der Hüteschäferei.
„Das macht heute kaum noch jemand, weil es sich immer weniger lohnt“, sagt Thomas von Mackensen. Und das liegt nichtmal hauptsächlich daran, dass mittlerweile auch natürliche Schaf-Feinde wie der Wolf in der Gegend wieder heimisch werden. Doch die menschen- wie materialaufwändige Hüteschäferei kann kostentechnisch nicht mithalten mit Lammfleisch aus Neuseeland oder Australien. Nicht mal mit dem aus Norddeutschland. Die Folge: Von den etwa 70.000 Tonnen Lammfleisch, die in Deutschland jährlich verzehrt werden, kommen mehr als 50.000 aus dem Ausland.
Das ist schade. Wer die Produkte der Alb-Lämmer der von Mackensens einmal probiert hat, wird nie wieder neuseeländisches Lamm haben wollen. Dennoch braucht die Schäferei mehr Geschäft, als die Vermarktung der ständig mitlaufenden etwa 100 Lämmer. Da kommt der ökologische Vorteil der Alb-Schafe zum Tragen: Sie fressen die Alb-Hänge so ab, dass nicht ständig Wälder nachwachsen und so die ökologisch wertvollen Wacholderwiesen erhalten bleiben. Das wiederum unterstützt die Gemeinde finanziell.
Kräuterlamm im Restaurant
Die Wacholderheiden der Schwäbischen Alb gehören zu den ältesten durchgehend existierenden Kulturlandschaften der Menschheit. Für viele Tier- und Pflanzenarten sind sie ein Paradies – und zugleich eines der artenreichsten Ökosysteme Europas. Schwalbenschwänze schwingen von Blüte zu Blüte, in der Luft liegt der Duft des Thymians, Zauneidechsen huschen über die Felsen. Wacholderheiden stecken voller Leben.
Damit das so bleibt, bauen die von Mackensens ihre Lammvermarktung immer weiter aus. Über einen Online-Shop lassen sich die Produkte bestellen, dazu entstand direkt an den Weidegründen ein kleiner Hofladen zur Selbstbedienung. In dem gibt es sommers auch Gemüse aus der eigenen Demeter-Gärtnerei. Auch einige Restaurants der Umgebung, etwa das von uns hochgeschätzte Esszimmer in Biberach, oder das Ristorante de Vita in Hohenstein, verkaufen die Produkte.
Adresse: Hüteschäferei von Mackensen, Auf dem Hau 12, 72532 Gomadingen
ÖPNV: Von Ulm HBF fährt die Schwäbische Albbahn Richtung Engstingen. Ausstieg am Bahnhof Kohlstetten, dann ca 20 Minuten zu Fuß