Der Sitz ist gerade eingenommen, da ist schon klar: an diesem Abend kann nichts mehr schiefgehen. Denn allein dieses Panorama… eine Andeutung von Alpengipfeln, Sonnenuntergang über dem Bodensee. Hach.
Jetzt aber nur nicht ablenken lassen. Denn der Küchenchef und Österreicher Roland Pieber gilt nicht nur als einer der viel versprechendsten Köche seiner Generation, der etwa den Preis „Junger Wilder“ 2018 gewann, sondern will diesem Ruf im SEO in Langenargen offensichtlich von Beginn an gerecht werden. Dafür schickt er ein ungewöhnlich üppiges Potpourri an Grüßen aus der Küche: lauwarmes, selbst gezogenes Sauerteigbrot, karamellisierte Butter, selbst getrockneten Schinken, Saiblingspralinen, Mini-Gugelhupfe mit krosser Hühnerhaut, allerlei Gemüse-Variationen. Mjam. Allerdings: Die Grüße geraten so üppig, dass ein wenig Dispziplin gefragt ist. Sonst ist Gast satt, bevor es losgeht.
Man hat in den vergangenen Jahren viel darüber gelesen, dass das klassische Fine-Dining lockerer wird. Gleichzeitig strebt die früher eher altbackene Alpenküche nach neuem Glanz strebt und findet ihren eigenen, aufgeklärten Weg durch den neuen Regional-Trend. Andreas Döllerer bei Salzburg ist da sicher Wegbereiter. Im SEO kann man nun im Ländle erleben, dass das eine ganz reale Entwicklung ist. Und wie gut das werden kann.
Gastgeber und Sommelier Michael Ritter, ebenfalls Österreicher, geht derweil mit seiner Weinbegleitung von Beginn an in die Vollen: Es gibt gereifte Weine mit deutschsprachiger Herkunft, die man zu Beginn eins Menüs schon so wollen muss. Die großen Namen der österreichischen Naturwein-Szene stehen genauso auf der Karte, wie etwa ein noch eher geheimerer Bodensee-Nachwuchsstar wie Teresa Deufel. Sie keltert am bayerischen Bodenseeufer ganz hervorragende biodynamische Weine, vor allem auch mit andernorts etwas verpönten Bukett-Sorten (also Weine, die auch schonmal etwas aromatischer geraten können).
Küchenchef Pieber ist durch die Bank spannend. Sein Menü steigert sich langsam, strahlt immer Filigranität und Leichtigkeit aus und hat mit dem Schwerpunkt auf selbst gezogene Kräuter eine ganze klare, individuelle Handschrift. So gibt es: Radieschen und Rettich mit Verjus und roher Forelle, was ein tolles Spektakel aus Süße, Säure und Schärfe ist. Es folgt Dreierlei Tomate, mit Wachholderöl Topfen-Raviolo, Pfifferlingen und gerösteter Zwiebel. Dabei überzeugt vor allem Piebers Hingabe zum Gemüse, die der Koch selbst am Tisch immer wieder erklärt und sich so mit dem legeren Sportschuh-Service ergänzt. Serviert wird das Ganze in einem achtgängigen Menü, das dem Gast einfach so passiert, ohne dass er außer durch die Äußerung von Unverträglichkeiten große Wahlmöglichkeiten hätte. Das sieht dann im weiteren Verlauf so aus: ein Gericht aus Wassermelone, Gurke, Mandeln, Salzzitrone und bayerische Garnele; Lammbauch mit Minze, und Dreierlei vom weißen Mais; Lammrücken mit verschiedenen Kürbiszubereitung, Himbeer-Creme.
Dazu gibt es die Gewissheit, dass hier am Bodenseeufer ein Neuzugang wirtschaftet, der die österreichisch-süddeutsche Küche leicht und mutig neu interpretiert und noch Großes vor sich hat.
Adresse: Marktpl. 1, 88085 Langenargen
ÖPNV: Bahnhof Langenargen, von dort 500m Fußweg